Für den dritten Teil meiner Arbeit habe ich selbst geforscht. Ich wollte wissen, welches Ausmaß der Rückzug der Gletscher in der Ampato-Region in Südperu erreicht hat – hier finden Sie das entsprechende Kapitel. Dafür habe ich Luft- und Satellitenbilder von 1955 bis 2005 ausgewertet und mit Klimadaten korreliert.

Der Weg zum Ampato führt stundenlang über holprige Straßen. Entsprechend gelacht haben wir bei diesem unerwarteten Anblick kurz vor unserem Parkplatz in 5300 Metern Höhe.
Für den Film habe ich meine eigene Analyse mit der Berichterstattung über ein abgeschlossenes Forschungsprojekt koordiniert. Damals hatte der Doktorand Markus Forbriger für seine Diplomarbeit untersucht, welche Bereiche der peruanischen Zentralanden in der letzten Eiszeit vergletschert waren – dafür hatte er monatelang Paare von Luftbildern ausgewertet, die er durch eine 3D-Brille oder am Stereoskop nach Spuren früherer Vergletscherung, vor allem so genannten Moränen absuchte. Jede dieser riesigen Steinschleppen hat er in eine digitale Datenbank eingetragen – unsere Aufgabe im Gelände war, strittige Punkte seines Arbeitsgebietes anzufahren und außerdem Proben zu nehmen, um das Alter einzelner Moränen zu bestimmen. So sollte klar werden, welche Stadien der Rückzug der Gletscher durchlaufen hat.

Andrew Hein bei der Probennahme: Wo Felsbrocken noch die echten Gletscherschrammen haben, ist klar: Beim letzten Transport wurde hier die innere Uhr auf Null zurück gestellt. Die seither durch Einfluss der Strahlung aus dem All angehäuften Nuklide (z.B. Chlor, Beryllium, Aluminium) verraten, wie lange der Gletscher den Felsbrocken schon wieder freigegeben hat.
Datiert hat das Ganze der amerikanische Geologe Andrew Hein, der am “Cosmo Lab” der Universität Edinburgh forscht, indem er die Konzentration kosmogener Nuklide in dem Gestein bestimmte – das sind bestimmte Isotope, die sich anhäufen, wenn Sonnenstrahlen auf Gesteinsoberflächen treffen. Zunutze macht sich der Forscher dabei, dass Gletscher die mitgeführten Steine wie Mühlen glatt schleifen – sie schleifen dann nämlich auch alle Nuklide mit ab und stellen damit die innere Uhr der Gesteine auf Null zurück. Praktisch! An diesem Thema lässt sich ganz wunderbar zeigen, wieviel Potenzial die Geographie für mediale Nutzung bietet – inhaltlich wie optisch.

Hier leiden die Menschen zuerst, wenn die Schmelzwässer der Gletscher im Sommer ausbleiben: Terrassenanbau in der Colca-Schlucht.
Hier hatte ich das Glück, die traditionelle Aussaat auf den Terrassenfeldern der Anden in der Colca-Schlucht zu filmen, während unsere Arbeitsgruppe ein paar Mitfahrer im nahen Cabanaconde absetzte. Denn sie leiden als erste, wenn die Gletscher in dieser Region schwinden. Denn dann werden im Sommer die Erträge ausbleiben, weil die Gletscher als wichtigste Wasserspeicher kein Schmelzwasser mehr freigeben können. Wenn keine alternativen Speicher gefunden werden, dann wird es für viele der Andenbewohner nur den Weg geben, den schon Millionen vor ihnen weltweit beschritten haben: Ihr Glück in den Städten zu versuchen. Das ist aber viel zu oft ein Weg ins Elend. Für die, die bleiben, könnte ein sanfter Tourismus eine Option sein – dass das aber nicht für jeden eine rosige Zukunft bietet, erklärt der Bauer Eugenio Parra in meinem Film. Die Aussaat mit ihren Ritualen, das gemeinsame Arbeiten auf dem Feld – sie sind der Kitt, der die Dorfgemeinschaft hier zusammenhält, und brechen sie weg, dann sind hier nicht nur Traditionen, sondern ganze Sozialstrukturen bedroht. Die Saatszenen sind der Schluss des Films “Das Land lesen – Geographen auf Spurensuche” auf dieser Seite.

Der Ampato zieht sich zurück: Seit 1955 hat er mehr als 90% seiner Fläche verloren. Doch die globale Erwärmung trägt daran höchstens indirekt Schuld.
Der Ampato-Gletscher ist ein Beispiel dafür, dass nicht alle schmelzenden Gletscher automatisch als Ikonen einer globalen Erwärmung dienen. Auch wenn er zwischen 1996 und 2005 eindeutig wuchs, ist dieser Gletscher seit 1955 stark im Rückzug begriffen – so weit, so erwartbar. Auch stiegen die Temperaturen in dieser ganzen Zeit immer an. Sogar in der Phase des Wachstums – und genau das machte uns stutzig. Bei tropischen Gletschern sind offenbar andere Klimaparamter entscheidend dafür, ob sie wachsen oder schmelzen, ob ihre Massenbilanz am Ende des “hydrologischen Jahres” also positiv oder negativ ist. Meine Untersuchung am Ampato mit Luftbildern aus den Jahren 1955 bis 2005 habe ich mit der Analyse von Klimadaten kombiniert und erfahren, dass in Zeiten des Wachstums vor allem zwei Faktoren verändert sind, die mit der Temperatur nur sehr indirekt zusammenhängen: Die Luftfeuchte in den Übergangsphasen zwischen Feucht- und Trockenzeit wurde geringer, deshalb sublimiert Eis nun viel häufiger direkt zu Wasserdampf, statt zu schmelzen, und weil das acht Mal mehr Energie verbraucht, läuft es langsamer ab, der Rückzug wird gebremst. Weil aber in diesem Zeitraum zugleich die Niederschläge in der Feuchtphase von Januar bis März deutlich zunehmen, wird auch mehr Eis aufgebaut: Netto kann der Gletscher wieder wachsen.

Zusammenstellung der Klima-Analyse aus meiner Diplomarbeit: Die Temperaturen steigen durchgängig. Trotzdem wuchs der Gletscher zwischen 1996 und 2005 wieder an. Das erklären wohl vor allem die saisonal höheren Niederschläge zwischen Januar und März ("JFM") und die sinkenden Feuchtegehalte in den Übergangsjahreszeiten. Klicken Sie im Viewer unten auf untitled, um noch näher an die Grafik heranzuzoomen.
Mehr als eine kleine Atempause auf dem Weg zum vollständigen Verschwinden dürfte das zwischenzeitliche Vorrücken der Gletscher am Ampato allerdings nicht gewesen sein. Das glauben auch die Bergführer vor Ort, die uns von rasantem Rückzug der Eisfront berichten, an die sie regelmäßig Trekking- und Kletterkunden führen. Wer darunter zu leiden hat, sehen Sie im Film: Die Bauern der Anden, die unter härtesten Bedingungen ihre Terrassenfelder bewirtschaften.