Über diese Arbeit

Mich hat im Studium und in der Journalistenausbildung immer wieder diese Frage bewegt: Wie kommt Wissen, das in der Wissenschaft erzeugt wird, tatsächlich in die Gesellschaft? Damit meine ich nicht ausschließlich handlungsrelevantes Wissen im Sinne von Informationen für die Politikberatung oder technisches Servicewissen für Endnutzer, sondern auch die allgemeine Frage, wie das, was Forscher in ihrer alltäglichen Arbeit in Erfahrung bringen, übersetzt werden kann in eine Form und Sprache, die interessierten Laien zugänglich ist. Ein schönes Zitat findet sich in dem Zusammenhang in der Jubiläumsschrift der PUSH-Initiative. Das ist ein Zusammenschluss der großen deutschen Forschungsförderinstitute, die das “Public Understanding of Science and the Humanities” vorantreiben und eine dynamische “Wissenschaft im Dialog” erlebbar machen wollen. Das Zitat stammt von Leibniz:

„Es ist uns Deutschen gar nicht rühmlich, dass wir in Erfindungen und Wissenschaften die ersten gewesen, aber in deren Vermehr und Besserung die Letzten sein.“ Gottfried Wilhelm Leibniz

Wissenschaft findet zunehmend im öffentlichen Raum statt. So lässt sich die Zwischenbilanz interpretieren, welche die großen deutschen Forschungsförderer und der Stifterverband der Wissenschaft zur PUSH-Initiative zogen, als sie die ersten zehn Jahre dieses Paktes für mehr Öffentlichkeit auswerteten. Ihre Hoffnung war, dass Forscher stärker als relevante und kritikfähige Akteure in der Gesellschaft wahrgenommen würden – etwa bei Debatten über den Klimawandel, Stammzellforschung oder Pandemien wie Vogel- oder Schweinegrippe. Das scheint ihr auch zu gelingen: So bezeichnete die FAZ den Klimagipfel in Kopenhagen 2009 als „Gesellenstück der Wissenschaftskommunikation“. Denn trotz dürftiger politischer Ergebnisse sei festzustellen gewesen, dass die Klimaforscher „einen beachtlichen Teil der Öffentlichkeit und deren Entscheidungsträger für sich gewonnen“ hätten. Welche andere Wissenschaftsdisziplin, so der Autor Joachim Müller-Jung, könnte das von sich behaupten?

Wissenschaft steht zunehmend in Konkurrenz zu echten Kommunikationsprofis, was das Vertrauen der Öffentlichkeit anbelangt. Da sind Lobby-Vereine, Großkonzerne, private Forschungsinstitute, Werbeagenturen. Sollte sie dort den Anschluss verlieren, dürfte irgendwann auch die Förderung der Forschung aus Mitteln der öffentlichen Hand zur Disposition stehen. Doch aus ihrer Vertrauenskrise scheint die Wissenschaft ja zu lernen, wenn man der FAZ glaubt. Bei der Übersetzungsarbeit ihrer Inhalte allerdings, nicht allein bei der gesellschaftlichen Legitimierung, da hapert es bisweilen noch. Das habe ich anhand eines Beispiels bei der ESOF-Konferenz in Turin 2010 auch in einem Blog für faz.net beschrieben. Außerdem erschien am 24.11.2010 ein Text von mir in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, bei dem der Theorieteil meiner Diplomarbeit ebenfalls als Inspiration diente: “Sprecht doch klarer“, aus Anlass des Klaus-Tschira-Preises 2010.

In meiner Diplomarbeit habe ich beide diese Aspekte beleuchtet und außerdem versucht, selbst einen guten Weg für die mediengerechte Darstellung geographischer Forschungsarbeit zu finden. Dazu dient diese Webseite, und dazu dient vor allem der Film, der ein erstes Interesse für ein geographisches Forschungsthema wecken und spannende Fragestellungen aufreißen soll, mit denen sich Leser dann weitergehend beschäftigen können. Wie das geht, wie Wissenschaftler ihre Geschichte spannend erzählen, dazu habe ich mit dem GEO-Redakteur Jürgen Broschart ein Interview geführt. Er ist selbst habilitierter Sprachwissenschaftler und scheut sich nicht, Kritik zu üben an Wissenschaftlern, die stur in ihrer Fachsprache verharren.

Dreharbeiten in der Ciudad Perdida mit einem Team von ZDF Terra X im Jahr 2008

Im Theorieteil der Arbeit beschäftige ich mich vor allem mit der Rolle von Forschern in dem Austauschprozess mit Medien und Öffentlichkeit. Ich wollte wissen:

1. Was bewegt Wissenschaftler, ihre Arbeit öffentlich zugänglich zu machen und verständlich aufzubereiten? Und was hält sie davon ab?

2. Wie viel Aufwand sollte ihnen dieses Ziel wert sein? Sollten sie diese Aufgabe nicht lieber PR-Profis und Journalisten überlassen? Welche Kompromisse erfordert die ‚Medialisierung‘ der Wissenschaft?

3. Wie muss Kommunikation gestaltet sein, um wissenschaftliche Prozesse und Ergebnisse mediengerecht aufzubereiten?

4. Wie wirkt es auf die Forschungsbedingungen und den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess zurück, wenn Wissenschaftler ihre Ergebnisse mediengerecht aufbereiten. Kurz gesagt: Bringt es also mehr Forschungsgeld, bessere Karrierechancen oder neue Impulse für die eigene Forschungsarbeit?

5. Was haben Geographen im üblichen Forschungsprozess an der Hand, um ihre Ergebnisse ohne wesentlichen Mehraufwand mediengerecht aufzubereiten?

Offensichtlich – und verständlicherweise – hängt die Bereitschaft von Forschern zu Medienarbeit stark davon ab, inwiefern dieses Engagement bei der Bewilligung von Forschungsgeldern oder in Evaluierungs- und Berufungsverfahren berücksichtigt wird. Deshalb habe ich die wichtigsten deutschen Forschungsförderinstitutionen befragt, von der Leibniz- und der Helmholtz-Gemeinschaft über die Max-Planck- und die Fraunhofer-Gesellschaft sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bis zum Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), wie und warum sie solche Leistungen (nicht) gewichten. Denn es erscheint logisch: In dem gesellschaftlichen Subsystem Wissenschaft wird das Engagement für ein anderes Subsystem (die Öffentlichkeit) nicht oder zu wenig belohnt – die Schnittstelle zwischen beiden Teilsystemen wird aber viel zu oft noch höchstens zufällig besetzt: Aus Freude, nicht weil es sich tatsächlich lohnt. Auch die Forscher in dem Peru-Projekt, das ich mit der Kamera begleiten durfte, habe ich dazu befragt, wie die in diesem Projekt besonders intensive Medienarbeit sich auf den Forschungsprozess selbst und ihre Forschungsbedingungen ausgewirkt hat – etwa durch mehr Gelder und neue Kooperationen, aber auch durch neue Ideen und Anregungen.

Die Ergebnisse dieser Umfragen und die theoretische Fundierung dieser Arbeit finden Sie im ersten von drei Teilen meiner Diplomarbeit, hier.

Danach ging es praktisch weiter: Im medienpraktischen Teil habe ich mir laufende und abgeschlossene Forschungsprojekte angeschaut. Informationen dazu auf dieser Seite in den Kapiteln “Moore als Klimaarchive” und “Gletscher auf dem Rückzug“. Ich habe beim Arbeiten fürs Fernsehen häufig erlebt, wie Wissenschaftler oder andere “Protagonisten” zu Laienschauspielern umfunktioniert wurden. Ich wollte ausprobieren, ob ich einen Film machen kann, ohne die Wissenschaftler bei ihrer Arbeit zu stören (im Gegenteil: meistens musste ich selbst mit anpacken). Das heißt, dass ich immer nur “draufgehalten” habe und alle Arbeiten genau so stattfanden, wie ich sie zeige. Das erfordert manchmal natürlich auch Kompromisse.

Dreharbeiten Pampa Blanca

Es wurde keine Szene gestellt, sondern immer nur "draufgehalten". Hier nimmt Prof. Bubenzer Kammsandproben in der Pampa Blanca, nahe Palpa.

 

 

 

 

 

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